Ergonomische Untersuchung besonderer Sitzgelegenheiten für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze

Projekt-Nr. BGIA 4130

Status:

abgeschlossen 12/2007

Zielsetzung:

Von Mitgliedsbetrieben der Verwaltungs-BG (VBG) gab es in jüngster Vergangenheit vermehrt Anfragen zum Nutzen beim praktischen Einsatz von besonderen ergonomischen Sitzgelegenheiten an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen. Bei diesen Sitzgelegenheiten handelt es sich um Bürostühle mit innovativen Technikelementen (z. B. mit besonderen Federsystemen), die nach Herstellerangaben besonders gesundheitsfördernde Sitzhaltungen/-bewegungen ermöglichen bzw. bewirken sollen. Zum Nachweis dieser Wirkung der besonderen Sitzgelegenheiten gegenüber einem konventionellen Bürostuhl wurde eine vergleichende Untersuchung im Labor- und in der Praxis sowohl nach ergonomisch-biomechanischen Kriterien als auch nach Komfortaspekten durchgeführt.

Aktivitäten/Methoden:

Von Seiten der VBG wurden fünf Bürostühle (vier besondere Sitzgelegenheiten mit den Labeln A, B, C, und E und ein Referenzbürostuhl D) für die Untersuchung ausgewählt. Im Sinne einer vergleichenden Querschnittstudie wurden mit zehn Probanden (beschwerdefreie Bürosachbearbeiter/-innen) Messungen zur Sitzhaltung/-dynamik im Labor durchgeführt. Die Versuche beinhalteten Messungen mit allen fünf Stuhlmodellen. Erhebungs-/Messparameter waren Arbeitstätigkeit, Muskelaktivität (EMG), Körperhaltung und -dynamik, körperliches Wohlbefinden, Sicherheit und Eignung. Eine Gewöhnungsphase an die zu untersuchenden Stühle mit einer Befragung wurde vor der Laboruntersuchung durchgeführt. Danach wurde in der Praxis eine vergleichende Querschnittstudie in vier Mitgliedsbetrieben der VBG an je zehn beschwerdefreien Probanden (insgesamt 40 Bürosachbearbeiter/-innen) durchgeführt. Die Probanden wurden nach einer Eingewöhnungszeit zu den Bürostühlen befragt. Mit je drei Probanden aus jedem Betrieb wurde eine Messung mit drei aus fünf Stuhlmodellen durchgeführt (einer der drei Stühle ist der Referenzstuhl). Erhebungs-/Messparameter waren Arbeitstätigkeit, Körperhaltung und -dynamik, körperliches Wohlbefinden, Sicherheit und Eignung. Die Erstellung und Auswertung der Fragebögen zu Komfort und Akzeptanz der besonderen Sitzgelegenheiten wurde vom externen holländischen "TNO Work and Employment" durchgeführt.

Ergebnisse:

Der Vergleich der vier besonderen Stühle mit dem Referenzstuhl ergab in der Auswertung der Labor- und Feldmessungen für muskuläre Aktivitäten und Bewegungsumfang bei gleicher Tätigkeit überwiegend keine signifikanten, also statistisch nachweisbaren Unterschiede. Lediglich bei den stuhlspezifischen Parametern wie Sitzflächenvorneigung, Sitzflächenseitneigung und Rückenlehnenvorneigung zeigten sich in der statistischen Auswertung erkennbare Unterschiede zwischen den Stühlen. Diese Ergebnisse lassen schlussfolgern, dass sich die Stühle zwar in ihren Dynamikeigenschaften unterscheiden, jedoch diese nicht unmittelbar zu einer erhöhten physischen Aktivität der sitzenden Person führen. Der Vergleich unterschiedlicher Tätigkeiten zeigte dagegen sowohl in der Labor- als auch in der Feldstudie zumeist signifikante Abhängigkeiten der Dynamik und Sitzhaltungen der Probanden von den ausgeführten Arbeiten. Die Tätigkeiten haben demnach einen größeren Einfluss auf die individuelle Sitzdynamik des Menschen als die Beschaffenheit der untersuchten Büroarbeitsstühle. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, bei der ergonomischen Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen ganzheitlich vorzugehen und bewegungsfördernde Maßnahmen, wie beispielsweise die Implementierung von Sitz-Steh-Konzepten, im Büro einzuführen. Weiterhin sollten arbeitsorganisatorische Aspekte, die einer Zunahme der physischen Aktivität am Arbeitsplatz zuträglich sind, zwingend einbezogen werden, um dem Bewegungsmangel am Arbeitsplatz entgegenzuwirken. Die statistische Auswertung der Fragebögen hinsichtlich Komfort, körperlichem Wohlbefinden und Akzeptanz durch die Probanden ergab ein differenziertes Bild mit einem deutlichen Ranking der Stuhlmodelle. Die besonderen Stühle A und B wurden im Vergleich zum Referenzstuhl von den Probanden in fast allen Aspekten besser bewertet. Stuhl E wurde gegenüber dem Referenzstuhl in etwa gleich und Stuhl C schlechter bewertet. Insgesamt scheinen die Stuhlmodelle, die über eine Möglichkeit zur seitlichen Verkippung der Sitzfläche verfügen, weniger stark akzeptiert zu werden als diejenigen Modelle, deren Sitzfläche über eine Beweglichkeit in der horizontalen Ebene verfügen.

Stand:

02.05.2016

Projekt

Gefördert durch:
  • Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG)
Projektdurchführung:
  • TNO
Branche(n):

Verwaltungen

Gefährdungsart(en):

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren, Gestaltung von Arbeit und Technik, Arbeitsbedingte Erkrankungen

Schlagworte:

Bildschirmarbeit, Arbeitsplatzgestaltung, Physische Beanspruchung/Belastung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Ergonomie, Bürostühle, alternative Sitzkonzepte, Büro- und Bildschirmarbeitsplätze, physische Belastung, dynamisches Sitzen, ergonomische Arbeitsgestaltung, Sitzhaltung, CUELA, Messung, Elektromyographie (EMG), Komfort-/Akzeptanzbefragung, vergleichende Querschnittsstudie